Empty Space #5
Falsches Spiel

Alleine der Egoismus und die naiven, fast utopischen Weltvorstellungen meiner Mutter machten sie schon zu einem auf lange Zeit unerträglichen Menschen. Ich ahnte schon während des Alleinlebens, dass, sollten wir nach zwei Jahren wieder zusammen ziehen, wir uns oft streiten würden, denn das schaffte sie damals sogar in den Viertelstunde langen Besuchen. Von der Situation bei ihr zu Hause hörte ich nur von ihr selbst und meine Apathie ihrem Ehemann gegenüber milderte ihre Schuld an ihrem Benehmen. So ging ich ihr einfach aus dem Weg, war mit einer meinen Bekannten plötzlich etwas trinken oder hatte blöderweise noch Sportunterricht. "Bitte? Hatte ich gestern schon? Ne, sorry, wurde auf heute verlegt". Sie war der einzige Mensch, der mich zwar auch mal kreuzweise könnte, dem ich das aber nicht direkt sagen wollte. Vielleicht ahnte ich, dass ich im schlimmsten Fall alleine bleiben könnte und diesen Sturz noch hinauszögern sollte, bis ich sicher auf den Beinen stehe. Sollte ich sie zur Hölle schicken, wollte ich selbst nicht hinabsteigen müssen. Die Hölle erstattete mich ohnehin alle zwei Wochen einen Besuch.

Schon nach den ersten zwei Wochen des Zusammenlebens wurde mir klar, dass ich die Lage stark unterschätzt habe. Ich fing an, ihren Ehemann zu verstehen. Er war zwar auch zu egoistisch, um eine Beziehung aufrecht halten zu können, gab im Gegensatz zu ihr jedoch oft nach, um die Situation nicht eskalieren zu lassen, ging geschickt und bedacht vor. Ihre Vorgehensweise war hingegen selbstzerstörerisch, paranoid und nicht einmal ansatzweise auf Vernunft zurückzuführen. Sie konnte innerhalb weniger Minuten zwei sich gegenseitig widersprechende Stellungen in einem Streit nehmen, nur um diese aufrecht halten zu können. Sollten ihr die Argumente ausgehen, was in der Regel schon in den ersten Minuten passierte, hatte sie immer noch ein Ass im Ärmel; genau gesagt, war es in ihrer Hand und sah meistens wie eine volle Flasche oder ein ebenso volles Glas Bier aus und flog schnell in meine Richtung. Ich duldete es mit dem Gedanken, bald ausziehen zu können. Erst als ein Messer an meiner Brust abprallte und gegen die Wand flogen, erinnerte ich sie daran, dass das Erschweren meines Lebens ihr vieles kosten könnte, z.B. das Sorgerecht für ihre Tochter, sollte sie nach einem Anruf beim Jugendamt, indem ein junger Mann von Alkoholproblemen und Wutausbrüchen seiner Mutter erzählt, einen Besuch von um das kleine Mädchen besorgten Leuten in Anzügen bekommt. Dass meine Halbschwester ebenso eine schwache Karte darstellt, wie ich selbst oder sonst jemand auf dieser Welt, verstand ich schon kurz danach. Mit der Hand war die Runde nicht zu gewinnen. Ich zeigte meine Karten und gab dem Gegner zu verstehen, er hätte schon gewonnen und könnte mich in Ruhe lassen, jedoch war er wenig daran interessiert, die Quälerei zu beenden.

Eine mit dem Hammer durchgeschlagene Tür später hatte ich den Verdacht, die Frau zur Hölle zu schicken würde nicht reichen, sie sollte, nachdem sie siegreich daraus zurückkäme, mich nicht finden. Es ließe sich leicht organisieren, umzuziehen, ohne die neue Adresse mitzuteilen, schließlich hatte ich, nachdem die Frau mit der Begründung, sie bräuchte Geld, meine Möbel verkauft hat, nicht viel mitzunehmen. PC, Tisch, Bett: nichts, was ihr gehören würde, falsche Wohnung zeigen, in die richtige einziehen, Handynummer wechseln. Das mit dem Namen war schon schwieriger. Ich hätte um eine Kiste Bier wetten können, es gäbe niemanden mehr mit dem gleichen Nachnamen in ganz NRW, und höchstens hundert mit dem gleichen Vornamen. Während ich mich immer wieder fragte, warum ich bloß mit ihr zusammengezogen bin, war dieser Plan war mein ganzer Trost. Ich behielt mein Pokerface und wartete geduldig...